Wie stark ist das Immunsystem der Region?
Inwieweit grenzüberschreitende Vernetzung die Region Oberpfalz-Pilsen krisenfest macht, darüber diskutierten Experten und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Institutionen am Mittwoch beim 4. Bayerisch-Tschechischen Innovationstag.
Weiherhammer, 10.11.2023 - Resilienz ist spätestens seit der Corona-Pandemie nicht mehr aus erfolgreicher Unternehmensführung wegzudenken. Inwiefern die Grenzregion Oberpfalz-Pilsen insgesamt in der Lage ist, auf externe Schocks zu reagieren und sich krisenfest aufzustellen, darum ging es beim 4. Bayerisch-Tschechischen Innovationstag von Bezirk Oberpfalz und IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim am Mittwoch im Kongresszentrum der BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau GmbH in Weiherhammer.
„Wie widerstandsfähig sind wir als Gemeinwesen, unsere Wirtschaft und die gesamte Region?“, fragte der Regierungspräsident der Oberpfalz Walter Jonas die rund 100 Teilnehmenden bei seiner Begrüßung. „Die Wirtschaft ist gefordert, auf Krisen und Herausforderungen adaptiv zu reagieren. Mut, Kreativität und Wissenstransfer schaffen dabei Innovation und Fortschritt. Der Staat wiederum ist bei den Handlungsfeldern Standortbedingungen, gesicherte und bezahlbare Energie, Infrastruktur, Digitalisierung, gutes Bildungssystem, effiziente Verwaltung und der Fachkräftemangel gefordert.“
Vernetzte Region mit Luft nach oben
In einer Keynote zeigte Prof. Dr. Tobias Chilla, Experte für Border Regions, wie resilient er die Grenzregion Oberpfalz-Pilsen im europäischen Vergleich sieht. „Die Region ist dank ihrer Industriestruktur gut aufgestellt, obwohl sie sehr ländlich geprägt ist und infrastrukturelle Defizite beim Verkehr und bei der Digitalisierung aufweist.“ Die Fallhöhe sei aus seiner Sicht indes sehr hoch. Externe Schocks wie die Corona-Pandemie könnten die Existenz der starken, hier historisch gewachsenen Unternehmen gefährden. Chilla sieht das Potenzial, die Vernetzung der Region auf eine nächste Stufe zu heben und bezeichnet dabei die Achse zwischen Regensburg und Pilsen als „Role Model“ mit Luft nach oben.
Regionale Ebene kann gut miteinander
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion stecken den Teilnehmenden die negativen Erfahrungen durch die Corona-Pandemie noch in den Knochen. Klar ist: „Immer dann, wenn die Grenze zwischen Bayern und Böhmen offen und ein Austausch möglich war, dann ging es unseren Regionen besser“, sagte der Bezirkstagspräsident der Oberpfalz Franz Löffler. Er bezeichnet die positive Entwicklung der letzten 20 Jahre als enorme Leistung in beiden Regionen. Rudolf Špoták, Regionspräsident der Region Pilsen, wurde durch den Corona-Schock mit der geschlossenen Grenze vor Augen geführt, wie sehr man die positive Entwicklung Tschechiens seit dem EU-Beitritt 2004 als Selbstverständlichkeit betrachtet hatte. Er ist froh, dass die Grenzregion ohne Schäden aus der Coronakrise gegangen sei. „Unsere Kraft beruht auf der Verknüpfung von Wirtschaft und Verwaltung. Aber das ist auch unsere größte Schwachstelle. Ohne einander können wir nicht mehr leben.“
Dass die Oberpfalz und die Region Pilsen auf regionaler Ebene gut miteinander können, führen Löffler und Špoták anhand der grenzüberschreitenden Vernetzung der Rettungsdienste vor Augen. Beim Gesundheitssystem wollen sie noch weiter gehen, etwa die Notaufnahmen auf beiden Seiten der Grenze besser miteinander verzahnen. „Wenn es nur an uns liegen würde, wären wir hier schnell, aber das hängt auch immer an Prag und Berlin,“ merkt Špoták an.
Von gemeinsamer Bildungsregion profitieren
„Eine Partnerschaft auf Augenhöhe ist unser Schlüssel für die Vernetzung der Wirtschaft zwischen Ostbayern und Westböhmen“, betont Dr. Jürgen Helmes, Hauptgeschäftsführer der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim. Die Erfolgsgeschichte der wirtschaftlichen Entwicklung will die IHK mit einer gemeinsamen Ansiedlungs- und Bildungspolitik fortschreiben. Ihre Anstrengungen richten sich auf die Verzahnung des Angebots der Hochschulen sowie der betrieblichen Aus- und Weiterbildung.
Headhunterin Linda Šimonová von der AT&Cie Personalberatung stammt aus dem grenznahen Domažlice. Sie hätte es sich für ihre Kinder gewünscht, wenn diese etwa ihre Ausbildung teils in Bayern und teils in Tschechien hätten absolvieren können. Positiv hebt Šimonová hervor, dass Studierende im Maschinenbau an der Westböhmischen Universität in Pilsen und der OTH Amberg-Weiden heute einen Double Degree in englischer Sprache erlangen können. Die Teilnehmenden des Podiums sind sich einig, dass man jungen Menschen die Möglichkeit geben muss, sich in ihrer Heimat zu entwickeln. Bildung und Gleichwertigkeit der Berufs- und Lebenschancen spielen eine entscheidende Rolle. „Junge Leute wollen die Möglichkeiten ihres Berufs ausschöpfen. Denen müssen wir zeigen, dass sie das in der Region auch erreichen können“, so Bezirkstagspräsident Löffler.
Bei Fachvorträgen und Workshops vertieften die Teilnehmenden des Innovationstags ihr Wissen zu Resilienz, IT-Sicherheit, Bildung, Logistik und Unternehmenskultur. Eine Exkursion durch das erst kürzlich eröffnete Logistikzentrum BHS Logistics verband Theorie mit unternehmerischer Praxis. Lars Engel, Geschäftsführer von BHS Corrugated, sieht offene Grenzen auch als Garant für die Resilienz seines Unternehmens. „Wir kennen keine Grenzen zu Ländern, Kulturen und Religionen. Man muss als Unternehmen immer innovativ sein, sich nicht nur in den eigenen Produkten weiterentwickeln, sondern auch in den Organisationsformen.“ Einen Schlüssel sieht er in der Digitalisierung.