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Kultur- und Heimatpflege des Bezirks stärkt die Lebensqualität in der Oberpfalz

Doppeljubiläum zeigt den Wert der Heimat

Bezirkstagspräsident Franz Löffler begrüßt die Festgäste im Priorratsgarten der Krankenhauskirche St. Vitus auf dem Gelände des Bezirksklinikums (Bild: Bezirk Oberpfalz/Wagner)

REGENSBURG. Vor 70 Jahren wurde erstmals ein ehrenamtlicher Bezirksheimatpfleger in der Oberpfalz ernannt, vor rund 50 Jahren schuf der Bezirk die Stelle des hauptamtlichen Bezirksheimatpflegers: Beeindruckende Redebeiträge der Festgäste, emotional stark gespielte Schauspieleinlagen aus dem bayerischen „Faust“, mitreißende Volksmusik der Gruppe „Die 7gscheitn“ und nachdenkliche Lieder der Sängerin „Die Nowak“ offenbarten beim Festakt zum Jubiläum im Priorratsgarten der Krankenhauskirche St. Vitus des Bezirksklinikums, was die Oberpfalz durch die Kulturarbeit des Bezirks an Vielfalt und Lebensqualität gewinnt. 

„Der Bezirk kann für sich in Anspruch nehmen, sich bereits seit sieben Jahrzehnten dem Thema Heimat intensiv zu widmen“, betonte Bezirkstagspräsident Franz Löffler vor den rund 80 Festgästen, darunter zahlreiche Mitglieder des Bezirkstags der Oberpfalz, Kreis- und Stadtheimatpfleger, Vertreter von Bezirkseinrichtungen, kultureller Institutionen und Kulturvereinen. „Heimatpflege, Denkmalschutz und Kulturarbeit sind für den Bezirkstag der Oberpfalz weit mehr als gesetzlich vorgegebene Pflicht- und Sollaufgaben“, stellte Löffler fest und ließ in seinem Grußwort jene Persönlichkeiten Revue passieren, die in den letzten sieben Jahrzehnten „unserer Heimat Gesicht und Identität“ gegeben haben.

Vor 70 Jahren wurde der Regierungsangestellte Georg Rauchenberger zum ehrenamtlichen Bezirksheimatpfleger ernannt. „Auch in der schwierigen Nachkriegszeit hatte das Bewahren der Heimat für die Menschen Wert und Bedeutung“, machte der Bezirkstagpräsident deutlich. Rauchenberger hatte sein privates Engagement für den Erhalt historischer Denkmäler bereits 1933 mit dem Kauf der Burg Wolfsegg und 1948 mit der Kreuzhofkirche bei  Barbing unter Beweis gestellt. Oberpfalzweit bekannt wurde der hagere Heimatpfleger mit schlohweißen Haaren, wenn er mit einem der letzten Kabinenroller unterwegs war zu den zahlreichen erhaltenswerten Denkmälern.

Am 1. September 1969 trat der promovierte Volkskundler, Musikwissenschaftler und Pädagoge Dr. Adolf J. Eichenseer die vom Bezirk neu geschaffene Stelle des hauptamtlichen Bezirksheimatpflegers an. Eichenseer legte die Grundsteine für die Spezialarchive der Kultur- und Heimatpflege wie die umfangreiche Volksmusik- und Trachtensammlung. Mit seinem öffentlichkeitswirksamen Einsatz für Volksmusik und Tracht machte er die Kulturarbeit des Bezirks überregional bekannt.

 

Die Festredner mit Corona-bedingtem Abstand: Bezirksheimatpfleger Dr. Tobias Appl, 
Professor Dr. Daniel Drascek vom Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft der Universität Regensburg, Bezirkstagspräsident Franz Löffler und Prof. Dr. Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger des Bezirks Oberfranken (v. re. nach li.) (Bild: Bezirk Oberpfalz/Wagner)

Wie Professor Dr. Daniel Drascek vom Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft der Universität Regensburg hervorhob, wurde bereits unter Eichenseer, aber insbesondere durch dessen Nachfolger, den Germanisten und Sprachwissenschaftler Dr. Franz Xaver Scheuerer, die Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg deutlich intensiviert. Gemeinsame Verbindungen sind für Drascek der vor wenigen Jahren entwickelte Masterstudiengang „Public History und Kulturvermittlung“ oder gemeinsam umgesetzte Projekte wie die sehr erfolgreiche Wanderausstellung „Wie klingt die Oberpfalz?“. Diese fand sogar den Weg über die deutsch-tschechische Grenze und war sogar in Pilsen und Prag zu sehen. Drascek stellte auch den Einsatz der Bezirksheimatpflege für das Oberpfälzer immaterielle Kulturerbe wie auch bei der Organisation beliebter Veranstaltungen wie dem Zwiefachen- oder den Zoigltag heraus.

„Im Studieren verharren, das darf der Bezirksheimatpfleger nicht“, betonte Professor Dr. Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger von Oberfranken, in seiner Festansprache. Dippold bescheinigte allen bisherigen Bezirksheimatpflegern der Oberpfalz, dass sie sowohl die Sprache der Wissenschaft und der Politik als auch die der Menschen verstünden, die im Alltag nicht auf diesen Gebieten zuhause sind. „Ein Bezirksheimatpfleger braucht ein Netzwerk“, betonte Dippold und lobte „die zahlreichen Väter und Mütter“, die sich für den Wert der Oberpfälzer Heimat eingesetzt hätten. Im Abwägen der Erfolge und des Scheiterns heimatpflegerischen Engagements zog er das Fazit: „Ohne die Bezirke gäbe es vermutlich viel mehr kulturelle Wüste im Kulturstaat Bayern.“

In der Auseinandersetzung mit Zersiedlung und Flächenfraß, Wirtshaussterben und Vereinsmüdigkeit plädierte er für neue, zeitgemäße Ansätze in der Kulturarbeit wie etwa die Museums-App „MUSbi“, mit der sich Lehrkräfte über das Angebot der Museen in der Region informieren können, oder den Heimatkoffer, mit dem der stellvertretende Oberpfälzer Bezirksheimatpfleger Florian Schwemin in Grundschulklassen geht und dort gemeinsam mit den Kindern spielerisch die Oberpfalz entdeckt. Das Denken und Handeln in der Kultur- und Heimatpflege müsse laut Dippold die Frage beantworten „Dient es dem Menschen?“

So lautete auch die Kernaussage von Bezirkstagspräsident Löffler: „Heimat ist die gemeinsame Verpflichtung zur Integration und Inklusion aller Menschen“. Bereits im Sommer 2019 hatte der Bayerische Bezirketag in einem Positionspapier die „Leitplanken“ einer zeitgemäßen und zukunftsorientierten Kulturarbeit beschlossen. Es gelte, Einheit und Vielfalt in ein Gleichgewicht zu bringen. Einheit stehe dabei für Sprache, Geschichte und Traditionen, Vielfalt für die Verschiedenheit unterschiedlicher Menschen. Erfolgreiche Heimatpflege gelinge dadurch, dass sie auf regionale Besonderheiten hinweise und die Öffentlichkeit sensibilisiere für die eigene Geschichte und Kultur, so Löffler. Er zeigte sich überzeugt, dass die Kultur- und Heimatpflege die Aufgabe habe, die Oberpfalz als Kulturregion weiter zu entwickeln und die Menschen zu motivieren, sich für ihre Heimat einzusetzen: „So können die Menschen zu einer lebens- und liebenswerten Oberpfalz beitragen.“

Auf den Punkt brachte das Bezirksheimatpfleger Dr. Tobias Appl: In den 1970er Jahren musste ein überzeugter Oberpfälzer wie der damalige Bezirksheimatpfleger Dr. Eichenseer bei Nicht-Oberpfälzern noch betonen: „Mia san aa wer…!“ Nun stellte Dr. Appl fest: „Nach 70 Jahren Heimatpflege ist es an der Zeit, fortan auf dieses ,aa‘ zu verzichten“.

Sorgten für gelungene Szenen aus dem bayerischen „Faust“: Gretchen (Waltraud Auer) und Faust (Alessandro Scheuerer) (Bild: Bezirk Oberpfalz/Bonack)
Spielte Lieder mit Tiefgang: „Die Nowak“ (Bild: Bezirk Oberpfalz/Bonack)