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Handeln im Dienste der Obdachlosigkeit

Mitglieder der Arbeitsgruppe „Soziale Dienste“ tauschten sich zu Angeboten für obdachlose Menschen in der Region Pilsen aus.

Regensburg/Pilsen, 23. Dezember 2024 - Die Sozialverwaltung des Bezirks Oberpfalz hatte im vergangenen April den Ball ins Rollen gebracht, die Fortsetzung folgte nun im Dezember in Pilsen: Bei einem zweitägigen Treffen der Arbeitsgruppe „Soziale Dienste“ der Regionalkooperation Oberpfalz-Pilsen informierten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirks Oberpfalz über Aktivitäten der tschechischen Partnerregion zum Thema Obdachlosigkeit. Filip Zapletal, Leiter der Sozialabteilung der Pilsener Regionsbehörde, und seine Kolleginnen und Kollegen hatten hierzu ein umfangreiches Programm für die Gäste aus Regensburg vorbereitet.

Den Auftakt bildete eine Vorstellung des Projekts „Street Medicine“ durch Lada Brožová vom Tschechischen Roten Kreuz Pilsen. Es handelt sich hierbei um eine in der Tschechischen Republik einzigartige Maßnahme, die 2022 auf Anfrage der Stadt Pilsen entstanden ist. So können 400 bis 500 Menschen medizinisch auf der Straße betreut werden, wobei es sich unter anderem um Wundverletzungen, Suchtprobleme oder psychische Erkrankungen handelt. Viele der oftmals aus dem Ausland stammenden Betreuten haben keine Krankenversicherung und Angst vor einem Aufenthalt im Krankenhaus. im Winter kommen zudem häufig schwere Erfrierungen hinzu. Dem versucht „Street Medicine“ zu begegnen und die Problematik besser in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, um auch Stigmatisierungen entgegenzuwirken.

Der Dienst „Stadt Charity“, den die Gruppe anschließend besuchte, besteht bereits seit 25 Jahren und bietet Dienstleistungen für Menschen ohne festen Wohnsitz an.  29 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um obdachlose Frauen und Männer aus der Tschechischen Republik, aus dem EU-Raum und der Ukraine. Die Betroffenen im Alter von 18 bis 80 Jahre werden entweder durch die Sozialarbeiter des Dienstes aufgesucht oder können in einem Tageszentrum mit Übernachtungsmöglichkeit unterkommen, wo sie zugleich eine feste Tagesstruktur erhalten. Streetworker vermitteln zudem im ganzen Pilsener Stadtgebiet Zelte, Schlafsäcke, Kleidung, Essen und medizinische Hilfe.

Auch bei dem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Asylhaus Patronus handelt es sich um ein in der Tschechischen Republik einzigartiges Angebot. Hier wird gezielt mit alkoholabhängigen Menschen gearbeitet, um ihnen einen konstruktiven Umgang mit ihrer Sucht zu ermöglichen, ohne den Genuss von Alkohol grundsätzlich zu verbieten. Ein mit Suchtspezialisten individuell erarbeiteter Plan definiert, welcher Konsum annehmbar ist und wo die persönliche Grenze liegt. Allerdings ist die Frist für die Nutzung gesetzlich auf ein Jahr beschränkt und eine solide personelle Absicherung mit Sozialarbeitern erforderlich, da die Zielgruppe sehr betreuungsintensiv ist. Zudem wird das Angebot umfassend genutzt, so dass für die 26 verfügbaren Plätze eine Warteliste besteht.

Am zweiten Tag des Treffens standen zunächst die regionale Sozialfinanzierung und die finanzielle Unterstützung für Menschen mit Behinderung im Vordergrund. Filip Zapletal erläuterte, dass es in der Region Pilsen 250 soziale Dienstleister von 110 Organisationen gibt, wobei 12 Organisationen unter Regie der Regionsbehörde stehen. Die Finanzierung erfolgt aus mehreren Quellen und muss jährlich neu beantragt werden, die Grundlage bildet das tschechische Sozialdienstleistungsgesetz. So wird für 2025 mit rund 62 Millionen Euro für Sozialeinrichtungen im Bezirk Pilsen aus dem Staatshaushalt gerechnet. Daneben werden 2025 etwa 1,7 Millionen Euro aus dem Regionaletat beispielsweise in städtische Initiativen fließen. Hinzu kommt die Finanzierung durch die Gemeinden und die Angehörigen von Betroffenen, die einen Beitrag leisten können, hierzu jedoch nicht verpflichtet sind.

Als abschließendes Praxisbeispiel erfolgte der Besuch der Sozialeinrichtung der Organisation LEDOVEC in Pilsen. Diese ist 2001 entstanden und will in der Region Pilsen ein Umfeld schaffen, das Menschen mit psychischen Erkrankungen auf ihrem Genesungsweg hilft. Entsprechend hat LEDOVEC fast 100 Angestellte im sozialen Bereich und 35 Mediziner, die die Organisation unterstützen. Zum Leistungsangebot zählen multidisziplinäre Gemeindeteams, telefonische Unterstützung in Krisensituationen, fachkundige Sozialberatung sowie Wohnunterstützungsdienste. 
Neu ist der „Housing First“ Ansatz, mit dem der direkte Einzug in eine eigene Wohnung ermöglicht wird, ohne zuvor verschiedene Formen der Unterbringung durchlaufen zu müssen. Auch hier gibt es eine Warteliste, wobei Menschen mit dem größten Bedarf vorrangig behandelt werden.

Die umfassenden Gespräche, die innerhalb der Arbeitsgruppe während des zweitägigen Treffens geführt wurden, habe zahlreiche Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik im Bereich der Obdachlosenpolitik aufgezeigt. Zugleich wurde deutlich, dass sich durch den regelmäßigen Austausch zwischen beiden Sozialabteilungen die Partnerschaft kontinuierlich verfestigt. Nächstmalig wird sich die Arbeitsgruppe im Frühjahr 2025 in der Oberpfalz treffen und sich dann mit dem Thema „Haltung, Werte, Menschenbild, Ethik“ beschäftigen.       

Fachgespräche in Pilsen zum Thema Obdachlosigkeit: Bezirksdirektor Dr. Schreiner (Mitte mit Fahnen), Marje Mülder (Leiterin der Sozialverwaltung des Bezirks Oberpfalz), Filip Zapletal (Leiter der Sozialabteilung der Pilsener Regionsbehörde) und weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialreferate in Regensburg und Pilsen (Bild: Meinke/Bezirk Oberpfalz).