Ein Baum für die Freundschaft
Bezirke Oberpfalz und Pilsen feiern gemeinsam am Grenzübergang Waldmünchen die offene Grenze
WALDMÜNCHEN. Es war eine klare Botschaft, die gesendet wurde: Die Bezirke Oberpfalz und Pilsen stehen trotz der coronabedingten Einschnitte der vergangenen Monate weiterhin fest als Partner zusammen. Um dieses Bündnis zu unterstreichen, haben sich auf Einladung des Oberpfälzer Bezirkstagspräsidenten Franz Löffler und des Pilsener Vizehauptmanns Ivo Grüner gestern Gäste aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Sicherheit und Kultur am Grenzübergang Höll-Lísková zu einem gemeinsamen Festakt eingefunden.
Unter dem Motto „Grenzenlose Freundschaft und Nachbarschaft - 30 Jahre visafreies Reisen“ erinnerten die rund 40 Teilnehmer aus beiden Bezirken an das Inkrafttreten des Abkommens über den visafreien Grenzverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen Tschechoslowakei zum 01. Juli 1990, feierten zugleich aber auch die Aufhebung der im Zuge der Corona-Krise getroffenen Grenzschließungen und richteten den Blick in die gemeinsame Zukunft. Höhepunkt des Festaktes war das Pflanzen einer Linde in unmittelbarer Nähe des Grenzübergangs, die fortan symbolisch auf die Verbundenheit beider Regionen hinweisen soll.
„Die vergangenen Tage haben uns gezeigt, dass die offene Grenze nicht selbstverständlich ist“, hob Ivo Grüner in seiner Festansprache hervor. Gemäß dem Pilsener Vizehauptmann sei es trotz der Krise gelungen, die Verbindungen mit Bezirkstagspräsident Franz Löffler durch Telefonkonferenzen und Online-Meetings kontinuierlich aufrecht zu erhalten und miteinander Probleme beiderseits der Grenze zu besprechen. Umso mehr habe er sich gefreut, als die Beschränkungen aufgehoben wurden und das erste Mal wieder ein persönliches Treffen möglich war. „Durch unsere langjährige Partnerschaft können wir nun gemeinsam in die Zukunft blicken und unsere Freundschaft weiter vertiefen“, so Grüner.
Dem konnte Bezirkstagspräsident Franz Löffler nur beipflichten: „Die eigentliche Botschaft ist, dass uns Corona in keiner Weise in unserer Zusammenarbeit gebremst hat und dass unser gemeinsamer Lebensraum hervorragend funktioniert“. Beide Seiten hätten die Chancen, die sich 1989 ergeben haben, bestmöglich genutzt. Die Krise habe aber auch gezeigt, welche massiven Einschränkungen eine geschlossene Grenze mit sich bringt. Löffler äußerte daher drei Wünsche für die Zukunft. Erstens die Einführung einheitlicher Standards im Gesundheitswesen, um künftige Grenzschließungen zu vermeiden. Vor allem die Berufspendler hätten erheblich unter den Maßnahmen gelitten und seien zu Hause dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, Corona nach Tschechien gebracht zu haben. Diese Diskussion habe ihm persönlich sehr wehgetan. Zweitens gilt es gemäß Löffler, in der neuen EU-Förderperiode den Fokus auf den gemeinsamen Grenzraum zu legen. Man müsse vor allem jungen Menschen zeigen, dass es hochwertige Arbeit für sie in der Region gebe. Daher sei es wichtig, in die Bereiche Forschung und Innovation zu investieren. Drittens sollten sich die Menschen des Wertes und der Bedeutung der offenen Grenze wieder bewusster werden.
Was die geschlossene Grenze für die Wirtschaft bedeutete, stellte der Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz Dr. Georg Haber heraus. Die Unternehmen hätten in dieser Situation doppelt gelitten. Sowohl die Handwerkskammer als auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) hätten sich daher schon früh für eine Grenzöffnung eingesetzt. Man müsse nun die wieder gewonnene Freiheit nutzen und seitens der Politik Anreize für Investitionen setzen, damit keine Schäden bleiben und die Wirtschaft auf das Vorkrisenniveau zurückfinde, so Haber.
Sein Pilsener Kollege Zdeněk Židek, Vizepräsident der Regionalen Wirtschaftskammer Pilsen, unterstützte diese Aussage und betonte, er sei froh, dass beide Seiten keine Grenzen mehr wollten. Die Wirtschaft müsse durch den Austausch von Innovationen und die Kooperation von Unternehmen nun wieder gestärkt werden.
Marcella Krejsová, die stellvertretende Kreishauptfrau des Bezirks Pilsen, hob ihre Dankbarkeit für die Freiheit hervor. Da sie ihr halbes Leben in Unfreiheit verbracht habe, kenne sie beide Systeme und sei froh, frei atmen zu können. Durch die Wirtschaft und gemeinsame Projekte stehe man sich zwischenzeitlich zum Glück sehr nahe.
Das Voranbringen gemeinsamer Projekte stand denn auch im Mittelpunkt der Ansprache des Oberpfälzer Regierungsvizepräsidenten Christoph Reichert. Er verwies darauf, dass man erst vor wenigen Monaten den Fall des „Eisernen Vorhangs“ gefeiert und sich dabei frei über die Grenze bewegt habe. Wichtig sei nun, wieder gemeinsam nach vorne zu blicken und die Partnerschaft weiter zu leben.
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine kurze Vorstellung von aktuellen Projekten des Aktionsbündnisses Čerchov und ein musikalisches Begleitprogramm. Nach dem Pflanzen des „Freundschaftsbaumes“ am Grenzübergang konnten die Teilnehmer zudem die Möglichkeit nutzen, mit der seit 01. Juli offiziell wieder bestehenden grenzüberschreitenden Busverbindung auf den tschechischen Grenzberg Čerchov zu fahren und vom dortigen Aussichtsturm den Blick über die gemeinsame Region zu genießen.