Alzheimer-Demenz
Wenn das „Ich“ zerfällt
12.09.2019. Die Menschen werden immer älter. Das lässt die Zahl der Demenz-Patienten drastisch steigen. Anlässlich des Welt-Alzheimer-Tags am 21. September erklärt Professor Dr. Stephan Schiekofer, warum die Erkrankung oft lange unentdeckt bleibt. Er ist Chefarzt des medbo Zentrums für Altersmedizin.
Demenzerkrankungen nehmen mit dem Alter zu. Bei den Über-80-Jährigen ist bereits jeder vierte von der Gedächtnisstörung betroffen. Einschränkungen im Denken und Wahrnehmen sind weitere Zeichen der Erkrankung. „Wichtig für die Diagnosestellung ist, dass der Patient durch die Störung in seinem Alltag beeinträchtigt wird“, sagt Professor Dr. Schiekofer, Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin am medbo Bezirksklinikum Regensburg.
„Wir unterscheiden verschiedene Formen der Demenz, je nachdem, welche Gehirnregion am stärksten betroffen ist“, so Schiekofer. Bei manchen Formen fallen die Betroffenen weniger durch Gedächtnisstörungen auf, sondern durch Persönlichkeitsveränderungen (Morbus Pick) oder Aufmerksamkeitsprobleme (Morbus Binswanger).
Alzheimer ist die häufigste Demenz-Form
Etwa eine Million Menschen in Deutschland leiden an einer Alzheimer-Demenz, der häufigsten Form. Hier lagert sich fehlgebildetes Eiweiß im Gehirn ab. Zunächst verlieren Betroffene die Orientierung zu Ort und Zeit. Im weiteren Verlauf können sie auch zur eigenen Person keine Angaben mehr machen. „Patienten schaffen es aber oft lange, eine normale Fassade aufrecht zu erhalten“, sagt Schiekofer. Auf das schwindende Gedächtnis angesprochen, bagatellisieren sie ihre Defizite.
Nicht selten leiden Betroffene unter Wahnvorstellungen. Sie glauben dann, man wolle sie bestehlen oder vergiften. „Demenzerkrankte können außerdem einen ausgeprägten Bewegungsdrang entwickeln“, sagt Schiekofer. Hinzu kommt, dass die Patienten sich immer schlechter zurechtfinden und sich verlaufen. Mit fortschreitender Erkrankung werden die meisten jedoch bettlägerig.
Viele Erkrankungen können eine Demenz vortäuschen
Sind ältere Leute nach einem Krankenhausaufenthalt verwirrt und orientierungslos, ist dafür vielleicht ein Delir verantwortlich. Manchmal ruft eine Schilddrüsenunterfunktion Symptome einer Demenz hervor. „Auch Depressionen können eine Demenz vortäuschen“, sagt Professor Schiekofer.
Der Unterschied: Depressive Patienten bemerken und beklagen ihre Defizite, anstatt sie herunterzuspielen. „Aber nicht jedes vergessene Wort ist gleich Zeichen einer Demenz“, gibt Schiekofer Entwarnung. Bei der normalen Altersvergesslichkeit entfallen den Betroffenen zwar manche Dinge. „Die Erinnerung an Personen und Ereignisse bleibt aber ungetrübt“, so Prof. Schiekofer.
Wegen der vielen Differentialdiagnosen ist eine umfassende Diagnostik wichtig. „Neben einer Blutentnahme und der körperlichen Untersuchung führen wir neuropsychologische Tests durch“, sagt Schiekofer. Die Patienten müssen Uhren zeichnen, Wörter wiedergeben oder einfache Rechenaufgaben lösen. Ebenso wichtig ist eine Bildgebung des Kopfes. „Kernspin oder CT zeigen, ob sich Teile des Gehirns verkleinert haben“, so Schiekofer.
Vorhandene Fähigkeiten sollten trainiert werden
Die Alzheimer-Demenz lässt sich nicht heilen. Doch Ärzte können Medikamente verschreiben, die den Verlauf aufhalten sollen oder Begleitsymptome wie Depressionen und Wahnvorstellungen lindern. „Betroffene möchten möglichst lange selbstständig in ihrer gewohnten Umgebung leben“, so Schiekofer.
Damit das gelingt, sollten vorhandene Fähigkeiten trainiert und Gedächtnisinhalte immer wieder abgerufen werden. Merkstützen wie Zettel oder Listen können im Alltag helfen. Die Betreuung dementer Familienmitglieder ist nach wie vor eine enorme Herausforderung. Pflegenden Angehörigen rät Schiekofer, sich rechtzeitig Unterstützung zu holen und auf genügend Ausgleich zu achten.